Technologie und Funktionen
Welche technologischen Funktionen gibt es?
1. Anzahl der Frequenzkanäle
Die Frequenzkanäle eines Hörgeräts bestimmen, wie viele Frequenzbereiche das Gerät verarbeiten und separat verstärken kann. Ein Hörgerät zerlegt die ankommenden Schallwellen in verschiedene Frequenzbänder und passt die Verstärkung in jedem dieser Bänder individuell an. Mehr Kanäle ermöglichen eine feinere Anpassung des Hörgeräts an den spezifischen Hörverlust des Nutzers.
Was bedeutet die Anzahl der Kanäle?
Ein Hörgerät mit mehr Frequenzkanälen kann unterschiedliche Töne, wie Sprache und Umgebungsgeräusche, präziser voneinander trennen und differenzierter verarbeiten. Für Menschen mit einem komplexen oder ungleichmäßigen Hörverlust kann das die Sprachverständlichkeit deutlich verbessern, insbesondere in geräuschvollen Umgebungen.
Mehr Kanäle = besser?
Nicht unbedingt. Es hängt von den individuellen Hörbedürfnissen ab. In einfachen Hörsituationen reicht eine geringere Kanalzahl oft aus. Studien wie die von Kochkin et al. (2010) zeigen, dass mehr Kanäle zwar oft als „besser“ wahrgenommen werden, die Vorteile jedoch ab einer gewissen Anzahl (in der Regel 15-20 Kanäle) abnehmen.
Unterschiedliche Anzahl der Frequenzkanäle
Im oberen Diagramm wird symbolisch dargestellt, wie ein Hörverlust mit unterschiedlich vielen Frequenzkanälen ausgeglichen werden kann. Grundsätzlich gilt: Je mehr Frequenzkanäle ein Hörgerät hat, desto präziser kann der Akustiker es an Ihr individuelles Hörvermögen anpassen.
In jedem dieser Frequenzkanäle wird außerdem geprüft, ob zusätzliche Technologien (wie z.B. Störgeräuschunterdrückung, Windgeräuschunterdrückung oder Impulsschallunterdrückung) beim besseren Verstehen unterstützen können. Auch hier gilt: Mit mehr Kanälen lässt sich Sprache feiner von Störgeräuschen unterscheiden, was das Sprachverstehen in schwierigen Situationen (z.B. Restaurant, Gesellschaft) deutlich verbessern kann.
Probieren Sie es einfach selbst aus und verschieben Sie die Regler im Diagramm, um zu sehen, wie unterschiedlich groß die Frequenzbereiche sein können. Ab etwa 20 Kanälen sind manche Hörgeräte sogar in der Lage, Frequenzen bis zu 10 kHz zu übertragen. Das ermöglicht eine noch brillantere und klarere Sprachwahrnehmung.
2. Störgeräuschunterdrückung
Die Störgeräuschunterdrückung (auch Noise Reduction genannt) zielt darauf ab, unerwünschte Hintergrundgeräusche, wie das Rauschen von Klimaanlagen, Verkehr oder Menschenmengen, zu minimieren, ohne die Sprachverständlichkeit zu beeinträchtigen.
Wie funktioniert sie?
Moderne Hörgeräte analysieren kontinuierlich die eintreffenden Schallwellen und identifizieren bestimmte Geräusche als Störgeräusche anhand von Mustern, wie kontinuierliche oder gleichmäßige Frequenzen (z.B. Motorengeräusche). Diese werden dann automatisch abgesenkt. Gleichzeitig verstärkt das Hörgerät relevante Sprachfrequenzen, um das Sprachverstehen zu optimieren. Diese Funktion arbeitet in Echtzeit und passt die Verstärkung dynamisch an die Umgebung an. Eine Untersuchung von Bentler & Chiou (2006) zeigte, dass die Noise Reduction besonders effektiv bei gleichmäßigem Hintergrundrauschen ist, während impulsartige Geräusche (z.B. Klatschen) schwieriger zu unterdrücken sind.
3. Richtmikrofoncharakteristik
Die Richtmikrofoncharakteristik (oder Direktionalität) ermöglicht es dem Hörgerät, Geräusche aus einer bestimmten Richtung zu verstärken, während es Geräusche aus anderen Richtungen reduziert. Dies hilft insbesondere, Sprache in lauten Umgebungen besser zu verstehen.
Wie funktioniert das?
In einem Hörgerät sind oft zwei Mikrofone verbaut. Diese Mikrofone nehmen Schall aus unterschiedlichen Richtungen auf und nutzen Phasenverschiebung und Vergleichsalgorithmen, um Schall aus bestimmten Richtungen zu verstärken. Klassischerweise wird der Schall von vorn verstärkt, während Schall von den Seiten oder von hinten gedämpft wird.
z.B. Adaptive Richtmikrofone: Viele moderne Hörgeräte können die Richtwirkung dynamisch an die Geräuschumgebung anpassen. Zum Beispiel richten sie sich in ruhigen Umgebungen breiter aus, während sie in lauten Umgebungen einen engen Fokus auf den Sprecher vor dem Träger legen. Studien wie die von Picou et al. (2017) zeigen, dass adaptive Richtmikrofone die Sprachverständlichkeit in schwierigen Hörsituationen erheblich verbessern können.
4. Erkennung und Reduktion von Windgeräuschen
Windgeräusche entstehen, wenn der Wind über die Mikrofone des Hörgeräts streicht, was zu lauten, störenden Geräuschen führen kann. Dies ist besonders bei Outdoor-Aktivitäten problematisch.
Wie erkennt das Hörgerät Windgeräusche?
Windgeräusche haben bestimmte, typische Frequenzmuster, die sich durch ihre niedrige Frequenz und Variabilität auszeichnen. Moderne Hörgeräte erkennen diese Muster und aktivieren automatisch Filter, die diese Frequenzen reduzieren.
Wie wird Windgeräusch unterdrückt?
Eine Methode ist die Frequenzabsenkung in den betroffenen Frequenzbändern, kombiniert mit einer Reduzierung der Verstärkung in den Mikrofonen, die vom Wind betroffen sind. Einige Geräte verwenden auch spezielle Schutzgitter an den Mikrofonen, um die Windgeräusche physisch zu minimieren. Laut Gustafson et al. (2017) können moderne Hörgeräte Windgeräusche um bis zu 20 dB reduzieren, was die Verständlichkeit im Freien deutlich verbessert.
5. Impulsschallunterdrückung
Impulsschall sind kurze, laute Geräusche wie das Klirren von Geschirr, Türknallen oder Klatschen. Diese Geräusche können für Hörgeräteträger besonders unangenehm sein, da sie plötzliche Lautstärkespitzen erzeugen.
Wie funktioniert die Impulsschallunterdrückung?
Impulsartige Geräusche haben sehr steile, kurze Spitzen in der Schallwelle. Moderne Hörgeräte erkennen diese Spitzen innerhalb von Millisekunden und reduzieren die Verstärkung in diesen Momenten gezielt, ohne die Sprachqualität oder andere wichtige Geräusche zu beeinträchtigen.
Dynamische Kompression: Die Impulsschallunterdrückung arbeitet in der Regel mit dynamischer Kompression, um die Lautstärke dieser Geräusche sofort abzuschwächen. Laut einer Untersuchung von Waldhauser et al. (2016) berichten Nutzer, dass die Impulsschallunterdrückung insbesondere bei impulsiven, störenden Geräuschen zu einer höheren Tragezufriedenheit führt.
Dies sind nur ein paar wenige Funktionen der Hörgerätetechnologie. Wir möchten Ihnen damit lediglich zeigen, dass es eine Vielzahl an Möglichkeiten bei der Hörgeräteversorgung gibt, um das Sprachverstehen zu erleichtern und den Komfort zu steigern
Wissenschaftliche Quellen und Fachliteratur:
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Kochkin, S. (2010). MarkeTrak VIII: Patient satisfaction with hearing aids is slowly increasing. Hearing Journal, 63(1), 19-27.
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Bentler, R. A., & Chiou, L. K. (2006). Digital noise reduction: An overview. Trends in Amplification, 10(2), 67-82.
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Picou, E. M., Ricketts, T. A., & Hornsby, B. W. (2017). Directional microphone hearing aids in school environments: Student and teacher perspectives. American Journal of Audiology, 26(4), 561-572.